Marquis de La Fayette

Marie-Joseph-Paul-Yves-Roche Gilbert du Motier, der Marquis de La Fayette, wurde am. 6. September 1757 geboren. Zwölf Jahre später war er einer der reichsten Waisenknaben von Frankreich: Sein Vater, ein Grenadier-Oberst, starb in einer Schlacht bei Minden, da war Marie-Joseph noch nicht zwei Jahre alt. Und die Mutter verstarb, als er gerade 13 wurde.

Marquis de Lafayette

Sogar sein einziger noch lebender Verwandter, ein Großvater, verschied wenig später. So hatte der Knabe plötzlich keinen Halt mehr in der Welt - lediglich eine Menge Geld. Vielleicht meldete er sich auch deshalb schon mit 14 zum Königlichen Heer. Und heiratete mit 16: Marie-Adrienne-Francoise de Noailles, eine Verwandte des Königs. Das heißt, er schuf sich seine eigene Familie, eine der vermögendsten und einflussreichsten in ganz Frankreich.

La Fayettes erste Begegnung mit Amerika fand statt am 8. August 1775. Bei einem Diner traf der junge Marquis auf den Grafen von Gloucester, der von den ,,Kolonien" vorschwärmte. Für den überzeugten Demokraten La Fayette, den nun wieder allzu Verwurzelten, stellte sich der Gedanke als ein überwältigend romantischer dar - Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit hießen ja seine schwärmerischen Ideale, nach dem Menschenrechts-Dekret des Thomas Jefferson. Er beschloss, gegen heftigen Widerstand seiner Familie (und nicht gerade zum Pläsir seines Königs), in diese “neue Welt des neuen Menschen“ zu reisen. Er trommelte noch ein paar Gesinnungsgenossen im Offizierskorps zusammen und segelte mit ihnen 1777 in die “Neue Welt“ - sozusagen in das Abenteuer der Demokratie. Die Amerikaner in ihrem Unabhängigkeitskampf zu unterstützen, das war für den Sozialromantiker Lebensaufgabe.

Am 13. Juni 1777 legte die französische Equipe nördlich von Charleston in South Carolina an. Besonders herzlich wurde der Marquis willkommen geheißen, da er als Freiwilliger kam und auf jeden Sold verzichtete - vermögend genug war er ja. Überdies von französischem Hochadel und vor patriotischem Eifer geradezu glühend, so dass ihm der Kongress von Philadelphia gleich den Generalmajors-Rang der Kontinentalarmee verlieh. Danach traf er deren Oberbefehlshaber, George Washington, und eine lebenslange Freundschaft entspann sich zwischen den beiden Männern; La Fayette war noch nicht einmal 20 Jahre alt. La Fayettes Feuertaufe kam in der Schlacht von Brandywine, worin er verwundet wurde. Das freilich dämpfte nicht seinen Idealismus. Kaum genesen, schloss er sich wieder dem Stab des Freundes an.

Im Dezember 1777 begleitete er Washington und das Heer ins Winterquartier von Valley Forge. Die Intrige einiger Offiziere, als Comway Cabal bekannt, deren Ziel es war, Washington als Oberbefehlshaber auszuschalten, half La Fayette zu vereiteln - indem er dem Kongress einen langen Brief schrieb, worin er “die unverbrüchliche Loyalität der Soldaten“ gegenüber ihrem General beschwor. Nur freilich gab es auch schon Intrigen gegen La Fayette selber. Man versuchte, ihn kaltzustellen, indem man ihm ein Himmelfahrtskommando auftrug: die Invasion Kanadas. Aber der ausgefuchste Stratege durchschaute den Plan und ebenso seine Undurchführbarkeit. Er schrieb an Washington: “Ich soll gesandt werden, mit großem Getöse, aber einer kleinen Armee, um große Dinge zu tun ... Die Briten werden mich entsprechend empfangen!“ Die Invasion Kanadas fand natürlich nicht statt.

Zwischenzeitlich reiste La Fayette wieder in sein heimatliches Frankreich - aber nicht der Familie wegen, sondern um weitere Unterstützung für die Amerikaner zu requirieren, vor allem zwei Dinge, ohne die kein Krieg gewonnen werden konnte: Soldaten und Geld. Kaum hatte er, was er brauchte, segelte er zurück in die „Neue Welt“. Dort tat er seinem Freund Washington einen unschätzbaren Dienst, indem er den britischen General Lord Cornwallis und dessen Heer bei Yorktown blockierte, während die Amerikaner ihre Truppen sammeln und sich auf die Schlacht vorbereiten konnten. Ebenso Jean-Baptiste Donatien de Vimeur, der Comte de Rochambeau, ein Gesinnungsgenosse La Fayettes, der schon ein Jahr zuvor mit 5.500 Franzosen bei der Schlacht von Rhode Island das von den Briten besetzte New York City befreien half. 1781 dann schlugen Amerikaner und Franzosen gemeinsam die Briten unter Cornwallis, und zwar so vernichtend, dass das Empire einlenkte: Yorktown wurde die entscheidende, die letzte Schlacht im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

Zurück ging's nach Frankreich für den Marquis de La Fayette im Jahre 1782 - und hinein in die zweite Lebenskarriere des Elitesoldaten: als Politiker, von Louis XVI. berufen in die Notabelnversammlung, um bei der Abwehr der Finanzkrise des Landes behilflich zu sein. La Fayette schlug ein Treffen aller Estates-Général vor, das heißt, der drei traditionellen Klassen der französischen Gesellschaft, des Klerus, des Adels und des Bürgertums. Er selbst stellte sich als Vize-Präsident dieser neuen Nationalversammlung zur Verfügung und präsentierte den Entwurf einer "Erklärung der Menschen- und der Bürgerrechte", die ganz klar inspiriert war von Thomas Jeffersons bahnbrechendem Werk. Er wurde zum Chef der Nationalgarde ernannt, die bereits die Aufstände bekämpfte, welche zur Französischen Revolution führen sollten. Während derer versuchte La Fayette sein Bestes, die Ordnung zu wahren, beteiligt war er auch an der Fluchtplanung des Königspaares. Darauf allerdings sah die Nationalversammlung der Jakobiner als "Verräter" und versuchte, seiner habhaft werden. 1791 versuchte er, über Flandern in die nunmehr Vereinigten Staaten von Amerika zu fliehen, wurde aber von den Österreichern festgenommen und schmorte nahezu fünf Jahre im Gefängnis.

1797 dann befreite ihn der neue "starke Mann" Frankreichs, Napoleon Bonaparte. Aber dessen großspurige Politik behagte dem nüchternen Demokraten nicht, fürs erste zog La Fayette sich zurück auf sein Landgut Lagrange und privatisierte. Erst nach der Verbannung Napoleons engagierte er sich wieder in der Politik. 1815 wurde er ein liberales Mitglied der Deputiertenkammer, ein Amt, das er bis zu seinem Tode innehatte. Im Jahr 1814 lud der amerikanische Präsident James Monroe den Helden des Unabhängigkeitskriegs ein, als "Gast der Nation" in die USA zu kommen, und La Fayette folgte der Einladung, dieser späten Ehrung, mit großem Entzücken. Er bereiste alle 24 der damaligen Bundesstaaten und war zutiefst gerührt, dass North Carolina ihm die höchste Ehre widerfahren hatte lassen: eine Stadt dort heißt Fayetteville. Ehrenbürger der Vereinigten Staaten wurde er zudem.

Während der Julirevolution von 1830 dann wurde noch einmal Spitzenpolitik an den bereits 72-jährigen herangetragen: Man bot ihm an, Diktator Frankreichs zu werden. Aber der Mann, der zeitlebens das Wirken von Tyrannen verachtet und als Freimaurer für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sich eingesetzt hatte, lehnte ab. Stattdessen unterstützte er Louis-Philippe, den späteren "Bürgerkönig", das Land als konstitutioneller Monarch zu regieren, also in den Grenzen (oder, je nachdem, Freiheiten) einer Verfassung. La Fayette starb am 20. Mai 1834 im damals gesegneten Alter von 76 Jahren; begraben liegt er auf der Cimetiére de Picpus in Paris - und zwar unter Erde, die man aus den USA hatte kommen lassen. Sie stammt von einem der wichtigsten Schlachtfelder des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, Bunker Hill, und symbolisiert im Bunde mit dem Grabesort die beiden Lebensmittelpunkte des Marquis de La Fayette: Frankreich und Amerika.